Kennen Sie das? Sie sitzen bequem oder eben gerade so ganz gut auf einem Stuhl oder im Sessel. Es kommt jemand zu Ihnen, stellt sich vor Sie, neben oder auch hinter Sie hin und beginnt ein Gespräch... Gleich ist es dann nicht mehr so bequem! Warum? Sie müssen sich irgendwie in die Richtung des Gesprächspartners drehen, zu ihm aufschauen, sehen, ob er überhaupt Sie gemeint hat... meist steht der höfliche Mitbürger dann auf. Nur höflich? Auch, denn so lernt man es bei Knigge. Es ist einfach besser, so auf Augenhöhe. Nicht wahr? Anderes Beispiel: Sie sitzen tiefversunken in Ihrer Arbeit am Computer in Ihrem Büröchen, plötzlich stürzt der Chef herein und redet auf sie los. Sie haben Glück, wenn der Eingang sich in Ihrem Blickfeld befindet und Sie so im Unterbewußtsein Ihren Chef mitbekommen... Egal... plötzlich steht er eben vor oder neben Ihnen und weist sie wegen irgendetwas zurecht, möchte etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen oder Sie einfach nur mal begrüßen. Sie blicken zu ihm auf und fühlen sich erst mal ganz klein und unnütz... Was tun? Entweder aufstehen und den Herrn oder die Dame begrüßen oder/und ihn bitten auf dem Stuhl /Sessel vor Ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Meist geht es Ihnen dann gleich besser... warum? Es hat etwas mit dem Gespräch auf Augenhöhe zu tun und dem direkten horizontalen Blickkontakt zu dem Gesprächspartner. So von oben herab ist es eben vom Gefühl her schlecht. So herabwürdigend... irgendwie respektlos...
Ich selbst mag z.B. keine Podeste und Bühnen bei Veranstaltungen mit einem Podium irgendwo da oben, ein Meter höher als die Zuschauer sitzen. Wenn auch noch ein Rednerpult mit festem Mikrofon da oben posiert ist, dann stehen mir eigentlich schon alle Haare zu Berge und ich komme mir vor, wie der Pfarrer bei der Sonntagspredigt. Der Redner betritt bedächtigen Schrittes die Bühne - ich bin doch kein Schauspieler und schon gar kein Halbgott! Wenigstens das Mikro sollte mobil sein... Hundert Barrieren - das Kommunikations-Hindernis pur, Bewegungsfreiheit gleich Null, Gestik und Mimik eher verkrampft... Äh, was wollte ich doch da gleich emotional richtig darlegen? ...Und wo sind meine Zuhörer, ah, da unten... kein richtiger Blickkontakt möglich, zu tief und immer schön locker bleiben ... hm, bin gerade zu weit abgeschweift... Entschuldigung!
Ähnlich, wie weiter oben dargelegt, geht es Demenzerkrankten. Plötzlich taucht eine Person so schräg neben über ihm auf, er ist gerade vertieft in eine Beschäftigung im Sitzen, die ihm zusagt. Was glauben Sie, empfindet Ihr Erkrankter? Sie wollten ihm aber nur kurz mitteilen, daß Sie mal schnell den Müll runter bringen und gleich wieder da sind... Möglicherweise reagiert er sehr unwirsch, mit harten Worten, beschimpft Sie oder schubst Sie einfach zur Seite. Und hier kommt wieder das Gefühl ins Spiel. Vielleicht erschrickt er sich fürchterlich, hat Angst und fühlt sich in dem Moment bedroht. Wer möchte schon gern von der Seite oder von oben links seitlich betrachtet /beobachtet und angesprochen werden? So machen es meist die Lehrer, stehen ganz nah dran, schauen kurz über die Schulter und bemerken dies und das über die Arbeit des Zöglings und gehen dann weiter zum Nächsten. Unser Erkrankter mag aber möglicherweise keine Lehrer und ist auch kein Zögling, sondern ein erwachsener Mensch mit einem erfüllten, erfahrungsreichen und individuellen Leben und einer Lebensgeschichte, der sehr emotional reagiert. Also, nehmen Sie sich Zeit und einen Stuhl, legen Sie ihm leicht Ihre Hand auf die Schultern oder streicheln im seine Hand sanft, bewegen Sie sich langsam, setzen Sie sich zu ihm und suchen Sie Augenkontakt auf gleicher Höhe. Sagen Sie ihm Ihr Begehren freundlich mit einem echten Lächeln im Gesicht. Fassen Sie sich kurz, lange Reden sind für Ihren Erkrankten nur "bla-bla" (darüber kann man dann auch wieder viel schreiben...). Er wird Ihnen binnen weniger Augenblicke ohne Umstände zuhören und Ihnen auch antworten - vielleicht etwas Unpassendes, Sie dabei ansehen - aber eben nur kurz und um sich dann auch wieder seiner Beschäftigung zu widmen. Vielleicht hat er Sie verstanden, vielleicht aber auch nicht... Möglicherweise möchte er mitkommen... Oder er hat es kurz darauf wieder vergessen, was Sie ihm so Wichtiges mitgeteilt haben. Aber, er hat Ihnen ohne Schimpfen und Aggressionen zugehört, seine Beschäftigung kurzzeitig unterbrochen, sogar geantwortet und Ihnen zugelächelt, vielleicht eine kleine Berührung zugelassen - ganz entspannt - was wollen Sie mehr ...
PS: Auch Augen können "sprechen"... Die Augenpartie umgeben viele kleine Muskeln, die je älter wir werden, Hautfältchen auf unserem Gesicht bilden lassen. Sie können unsere Gefühle gut ausdrücken... Einfach mal vor dem Spiegel selbst ausprobieren... ( Augen aufreißen/Staunen, Schmollmund machen, Lachen, Schmunzeln, Schreien, Schimpfen, sich Langweilen, Traurig sein, Lustig sein, Verlegen sein, Schmerz empfinden, Hilflosigkeit, Müdigkeit, Erschöpfung, Verträumtheit...) Wir Menschen fahren total auf Augen ab, sogar bei den Tieren...
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Demnächst hier zum Thema : " Fassen Sie sich kurz! - eine Möglichkeit der Kommunikation"