Vollmacht zur Gesundheitsvorsorge oder Gesundheitsbesorgnis für Angehörige
Es kommt in Abständen vor, dass ich mich mit diesem Thema auseinandersetzen muss.
Ich werde auch oft gefragt, wie das denn ist, ob ich als Angehörige Einfluss auf Medikationen nehmen darf und kann.
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Ist weniger mehr? |
Voraussetzung ist natürlich eine Vollmacht auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge. Meist ist es aber eher ein Gesundheitsbesorgnis, die sich da in mir breit macht und widerspiegelt.
Meine Mutter selbst ist dement und lebt in einem Pflegeheim. Und da gibt es natürlich feste Regeln mit den Medikamenten. Und das ist so auch richtig. Ein Arzt muss eine Verordnung ausstellen, egal ob Kassenrezept oder Privatrezept. Ist keine Verordnung da, dann wird vom Pflegepersonal auch nichts verabreicht.
Manchmal wird von den Ärzten auf Teufel-komm-raus verordnet und rezeptiert und ich als Vollmachtinhaber, Vertreter des Kranken, nicht mal dazu angehört.
Ich habe darauffolgend eindeutige Verfügungen formuliert, wie gehandelt werden soll. Diese liegen jetzt im Heim und bei der Apotheke vor. Das betrifft Kassenrezepte, Privatrezepte - da kann man arm werden, wenn man nicht aufpasst - alle Verordnungen (Medikamente, Heil- und Hilfsmittel), Krankenhausaufenthalte - ein brisantes Thema für Angehörige von Demenzkranken - Handhabung der Sturzprophylaxe u.v.m.
Ich google erst einmal alles, wenn mir etwas eigenartig erscheint und widerspreche im Anschluss schriftlich oder auch erst mal mündlich. Meine Mutter kann sich leider zu den Medikamenten nicht selbst äußern, so dass eigentlich jedes Medikament und jede Behandlung mit mir abgestimmt werden muss. Ausnahmen bilden Notfall-Medikationen, aber auch da hinterfrage ich im Nachhinein. Manchen Ärzten gefällt so etwas gar nicht. Sie sehen sich als Götter in Weiß und fühlen sich automatisch angegriffen. Eine Begegnung auf Augenhöhe ist wünschenswert, aber noch nicht die Regel.
Wo bleiben die Patienten- oder Angehörigen-Meinung, die Selbstbestimmung und die Patientenautonomie? Ist das dann Körperverletzung des Patienten?
Ein Mensch mit fortgeschrittener Demenz ist als Heimbewohner dem Arzt gegenüber voll ausgeliefert, kann sich nicht oder nur unzureichend äußern. Die Vollmacht eines Angehörigen hilft dann entscheidend. Leider kann auch ich nicht immer vor Ort im Heim sein, wenn sich ein Arzt ansagt. Aber es kann hilfreich sein, beim Pflegepersonal nachzufragen, sobald sich ein Arztbesuch ankündigt oder bereits stattfand.
Ich habe schon viele Angehörige getroffen, die ihre Aufgabe als Vollmachtinhaber nutzen und unnütze Medikamente absetzen lassen, weil das Risiko und die Nebenwirkungen für den Patienten zu hoch sind, Wechselwirkungen nicht ausreichend erforscht sind. Und wie schon bemerkt, es gefällt weder den Ärzten noch den Apothekern, diese Einspruchsmöglichkeit. Es gibt dann auch die aufdringliche Aussage, dass das Medikament oft bei jenen Symptomen in der Regel verordnet wird und auch wirkt. Die Nebenwirkungen werden dabei eher nicht berücksichtigt und der Demenzkranke kann mehr Stürze erleiden, als ohne diese Medikation und die Krankenhausbesuche häufen sich darausfolgend. Das trifft beispielsweise bei Medikamenten zu, die die Psyche beeinflussen und der Neurologe verordnet.
Meist kommen noch Mittel und Medikamente hinzu, die körperliche und organische Leiden lindern sollen. Diesen bunten Mix kann ein alter Mensch auf die Dauer nur schwer verkraften. Ich wäge dann ab, was ist wirklich notwendig, und was nur dem Arzt oder Apotheker hilft. Vor allem auch dann, wenn es sich um Privatrezepte handelt, die gern für alte Menschen ausgestellt werden. Das klingt sicherlich eigenwillig, aber als "normaler" Patient nehme und kaufe ich auch nicht immer alles sofort ohne zu hinterfragen und zu schauen, was alles kostet und ob es ein äquivalentes preisgünstigeres Präparat gibt. Darüber wird auch in der Presse und in den Medien mittlerweile oft wiederholend informiert. Die Patienten sollten ihrem Arzt vertrauen können, sie müssen sich ihm nicht bedingungslos und blind ausliefern. Wir haben heutzutage mündige Patienten und informierte Bevollmächtigte. Die generelle gute Aufklärung über Krankheiten, Medikamente und Behandlungen im Internet und die Medien ist für Ärzte und Apotheker nicht immer leicht zu verkraften. Ein Patient, der "Nein" sagt, hinterfragt und recherchiert, ist oft unbeliebt. Aber es ist unser Patientenrecht, genau das zu tun. Wir sind nicht mehr leichtgläubig, wir wollen überzeugt werden, dass uns genau damit geholfen werden kann. Wir bestimmen über uns selbst.
Mein Fazit:
- Vorsorgevollmacht für den Erkrankten muß vorliegen
- von Zeit zu Zeit Medikationen und Notwendigkeiten dafür überprüfen
- nicht alles glauben und hinnehmen
- möglichst alles hinterfragen, Vollmacht heißt auch Verantwortung
- Vollmacht nutzen
- punktgenaue Verfügungen aufsetzen und im Heim hinterlegen, das hilft dem Pflegepersonal, wenn vom Arzt beim Hausbesuch Verordnungen getroffen werden
- auf der Patientenautonomie und Selbstbestimmung - auch als Bevollmächtigte - beharren
- evtl. auf die Körperverletzung der Person des Demenzkranken bei Gabe von nicht genehmigten Medikamenten hinweisen
- Gespräch mit den behandelnden Ärzten suchen, eigene Meinung äußern und vertreten, sich nicht abwimmeln lassen
- notfalls den Arzt wechseln
Diese Darstellung beruht auf meinen eigenen Erfahrungswerten und denen von Angehörigen von Demenzerkrankten.
by petrakoczan