Berührungsängste überwinden?
Ja, es ist so: das Thema Demenz tritt immer mehr in den Vordergrund in den Medien und im Bewußtsein der Menschen hierzulande. Gegensätzlicher, aber trotzdem einleuchtender, kann die Entwicklung gar nicht sein: die Abnahme des Bewußtseins (durch die Demenz) nimmt im Bewußtsein (der Menschen) zu...
Aber ab wann , also welchem Alter sollte man sich eigentlich mit dem Fakt beschäftigen?
Heute war in der TA auf der Seniorenseite ( Mein Motto: Senioren werden wir erst viel später... ) darüber zu lesen, wie denn Kinder mit Demenzkranken umgehen sollten. Warum also nicht mit Nachwuchs darüber sprechen?
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TA 16. April 2012 Senioren-Journal |
Eigentlich ist die "Berührungsangst" gegenüber Demenzkranken generell sehr groß. Warum haben wir Angst vor der Demenz, den Erkrankten und dem Erscheinungsbild der Demenz? Weil wir die Krankheit nicht wirklich kennen und alles so lange, wie nur möglich vor uns her schieben. Ist natürlich sehr bequem, wenn man sich nicht mit bestimmten Sachen und Problemen beschäftigen muss... Habe ich leider auch lange Zeit so gehandhabt. Für mich war das Problem nicht gegenwärtig und tabu, bis ich mit der Nase draufgestupst wurde.
Aber die Kinder heute ticken anders als wir Erwachsene. Sie kennen keine Tabus, sie fragen und löchern solange, bis eine begreifbare Antwort da ist und plappern auch alles, was sie zum Thema hören, erbarmungslos nach. Sie liefern uns das Echo unserer eigenen Äußerung - ganz unverblümt. Sie beobachten und speichern Begebenheiten und Äußerungen - auch die Unpassenden. Sie haben keine Schönheitsideale und moralische Ansprüche. Sie haben keine Angst - noch nicht - vor kranken oder alten Menschen, vor Menschen, die eben alles andere sind als "Normal" - natürlich gesehen vom Standpunkt der Erwachsenen heute. Für sie ist alles neu, sie wollen alles wissen, erkunden und auf alles eine Antwort bekommen. Und das ist der entscheidende Punkt. Geben wir einfach die einzig richtige Antwort und sagen die Wahrheit, natürlich möglichst kindgerecht, da sind Pädagogen, Eltern, Großeltern und Psychologen - sieht so aus, als ob es doch wieder alle angeht - gefragt. Für Kinder ist alles normal und sie fürchten sich nicht, auch nicht vor Demenzkranken, es sei denn z.B. die Eltern äußert sich anders dazu. Sie, die Kinder werden keinesfalls hinter vorgehaltener Hand tuscheln, wenn sie kranken Menschen begegnen, es sei denn, man verhält sich im Lebens-Umkreis auch so. Sie lernen durch den richtigen Input damit umzugehen und sie können das wesentlich besser als wir Erwachsenen. Für Kinder ist nichts, aber auch garnichts befremdlich - nicht einmal komische Verhaltensweisen von alten oder kautzigen Menschen. Vorraussetzung dafür ist eine gute plausible Erklärung auf alle Anfragen der kleinen Stöpsel. Sie können und wollen mit so etwas umgehen (... lernen...). Sie sind neugierig und fragen. Uns Erwachsenen fehlt das sehr oft. Wir sehen und lehnen ab, obwohl wir garnichts darüber wissen, wollen uns nicht damit beschäftigen. Wir leben immernoch im Zeitalter der Tabus und der Ignoranz. Wir "Großen" sind sehr vorbelastet, geprägt von unserem eigenen Leben, von wem und wovon auch immer. Ich denke, das weiß jeder über sich selbst am besten.
Fazit:
- "Berührungsängste" sind zu überwinden, zu bewältigen, das Rezept ist ganz einfach: "neu bei Null" mit dem Thema anfangen, ohne Vorurteile, mit viel Wissensdurst, mit offenem Verstand neues Wissen großzügig aufnehmen und ins Leben umsetzen. Das klappt nicht immer auf Anhieb und sofort. Das ist ein Prozeß, der, abhängig von den jeweilig beteiligten Personen, Zeit und Raum ( hauptsächlich in der eigenen Denkzentrale) in Anspruch nimmt.
- Am besten ist es, "Berührungsängste" gar nicht erst aufkommen zu lassen...
- Das Tollste an der Sache mit den Kindern wäre für mich, heute schon an morgen zu denken: denn, wenn wir selbst mal an Demenz erkranken sollten, dann ist auf jeden Fall schon mal Verständnis für uns und die Krankheit vorhanden...
by Petra Koczan